17. November 2015

Portfolio Update & Verkauf Ebay

Ich habe in den letzten Wochen einige Positionen im Wikifolio reduziert:
  • Kapsch TrafficCom
  • Bank of America
  • Microsoft
  • Ebay (Positionsauflösung)
Der Grund dafür ist nicht, dass ich von diesen Unternehmen nicht mehr überzeugt wäre, sondern schlicht und einfach die Einsicht, dass diese aufgrund der Kursanstiege
  • einen für meinen Geschmack relativ zu hohen Anteil am Gesamtportfolio ausmachten (ich bin nun mal nicht Warren Buffett, der mit solch konzentrierten Portfolios arbeiten kann)
  • ein nicht mehr so vorteilhaftes Wert-zu-Preis-Verhältnis aufweisen wie zu dem Zeitpunkt als ich in die Aktien investiert habe.
Die Ausnahme ist Ebay. Hier befürchte ich über kurz oder lang eine Verwässerung der Marke, und damit einen sich verkleinernden Burggraben.

Warum?

Wie ich in meinem allerersten Post zu Ebay geschrieben habe, besteht bis heute ein Teil (wahrscheinlich der Größte Teil) des Burggrabens von Ebay aus der ganz simplen Tatsache, dass Ebay das auktionsbasierte Online-Flohmarktgeschäft beherrscht (hat), das eine ganz eigene Art von Kundschaft angezogen hat. Eine Kundschaft, die sehr treu ist und wahrscheinlich nur sehr ungern zu anderen Plattformen gewechselt wäre, wenn Ebay sie nicht aktiv vertrieben hätte (ich bin mir nicht sicher, ob es beispielsweise willhaben.at ohne Mithilfe von Ebay heute in dieser Form geben würde):

One man's junk is another man's treasure.

Unter der Ägide von John Donahoe hat sich Ebay immer mehr dem Fixpreisgeschäft mit Neuware zugewandt. Der gute Mann wollte einfach nicht einsehen, dass genau die oben erwähnte spezielle Klientel die eigentliche Stärke von Ebay ausgemacht hat, auch wenn dieses Geschäft vielleicht nicht so rasant wächst, wie der Ecommerce-Bereich generell. Nein, der ehemalige Vorsitzende eines Unternehmens-Beratungs-Unternehmens (eine Branche, die nicht so groß sein dürfte wie sie es nun mal ist, wenn Unternehmensmanager so gut wären, wie ihre Gehälter implizieren) wollte unbedingt Amazon den Rang ablaufen.

Der Punkt den Donahoe dabei völlig übersehen hat ist der, dass Ebay so zu einer simplen Verkaufsplattform unter vielen im Internet verkommt. Es gibt kein Alleinstellungsmerkmal mehr, was mit zunehmender Konkurrenz auf die Margen drücken wird. Wie von einem Unternehmensberater nicht anders zu erwarten, macht er das was alle tun, anstatt sich auf die eigenen Stärken zu besinnen - was viel über die unternehmerische Qualität von Donahoe aussagt.

Einen Funken Hoffnung hatte ich noch, weil mit Wenig ein neuer CEO übernommen hat. Ich dachte, der würde sich eventuell wieder auf die alten Stärken von Ebay zurückbesinnen. Wenn ich mir die Unternehmenspräsentationen, Earning Call Transcripts u.ä. durchlese, komme ich aber zu dem Schluss, dass das wohl kaum der Fall sein wird.

Ein aller letztes Bläschen Hoffnung ist gestern geplatzt: Carl Icahn hat seinen Ebay-Anteil verkauft. Man kann von Icahn halten was man will, aber mit schlechten Managern geht er nicht zimperlich um. Mit seinem Rückzug ist dem aktuellen CEO Tür und Tor geöffnet, ein einstmals großartiges Konzept in eine Website unter vielen zu transformieren.

Nun muss dieses neue Konzept nicht unbedingt in die Hose gehen, aber es hat nicht mehr viel mit dem starken Geschäftsmodell zu tun, in das ich anfangs dachte zu investieren.

Deswegen der Verkauf.

Auch wenn ich die Ebay-Investition aus heutiger Sicht als Fehler bezeichnen muss (obwohl diese negativen Entwicklungen meines Erachtens nicht unbedingt vorhersehbar waren), kann ich sie dennoch mit Gewinn auflösen:
  • Erstens habe ich noch meine Paypal-Aktien (Spin-Off; leider ist Donahoe auch da noch mit dabei)
  • Zweitens sitze ich auf einem kleinen Kursgewinn in USD (was zeigt, wie wichtig die 'Margin of Safety' ist)
  • Drittens habe ich aufgrund des aufwertenden Dollars einen durchaus ansehnlichen Wechselkursgewinn eingefahren (was zeigt, dass manchmal auch der Dumme Glück hat)
Laut Wikifolio betrug der Gewinn aus dem Investment gut 30% innerhalb eines guten Jahres, wobei mir nicht restlos klar ist, wie Wikifolio das berechnet.

Momentan ist die Cashquote recht hoch, aber ich suche weiter nach interessanten Investitionsmöglichkeiten. Leider sind die meisten guten Unternehmen recht üppig bewertet, was die Suche nicht einfacher macht.

11. November 2015

Paypal - Update

Nach meinem Abstecher zu Amazon (Teil 2, Teil 3) komme ich nochmal auf ein Unternehmen zurück in das ich investiert habe, obwohl man durchaus argumentieren kann, dass auch dieses nicht gerade billig ist: Paypal.

Das KGV beträgt auch hier über 30, was sich allerdings durch die hohe Cashposition zumindest etwas relativiert. Ende Oktober hat Paypal seinen ersten Quartalsbericht als eigenständiges Unternehmen veröffentlicht. Die Zahlen sind nicht mit überbordender Begeisterung aufgenommen worden, fiel die Aktie nachbörslich doch glatt um teilweise 6% - auch wenn sich der Kurs relativ schnell wieder erholt hat. Warum war die erste Reaktion der Börse so negativ? Ich denke, weil sich auch hier einige ‚Kurzzeitinvestoren‘ zu sehr auf den Umsatz konzentriert haben.


Der Hauptgrund der von der Finanzpresse (z.b. Bloomberg) angeführt wurde war (trotz wachsendem Umsatzes) ein Rückgang in der ‚Take Rate‘. Offenbar empfinden die Umsatzfetischisten das als problematisch und als einen Hinweis darauf, dass sich Paypals Wettbewerbssituation verschlechtert. Ich sehe das genau anders herum. Wie ich hier beschrieben habe, ist das Geschäftsmodell von Paypal ein transaktionsbasiertes. Was ist die Take Rate?

Anklicken zum Vergrößern; Quellen: 10-Q Paypal, Annual Reports Ebay
In den ersten 9 Monaten 2015 hat Paypal ein Zahlungsvolumen (Total Payment Volume – TPV) von rund USD 200 Mrd. abgewickelt. Dafür hat Paypal Gebühren (Umsatz) in Höhe von USD 6,7 Mrd. einbehalten - die rund 3,4% betragende Take Rate. Anders ausgedrückt: Paypal hat von jedem abgewickelten Dollar Zahlungsvolumen im Schnitt 3,4 Cent an Gebühren kassiert. Das war in der Vergangenheit mehr. Ein Problem?

Mitnichten.

Im Gegensatz zu Amazon ist das Geschäftsmodell von Paypal tatsächlich stark skalierbar und profitiert von dem, was im Englischen als ‚operating leverage‘ bezeichnet wird. Die Gewinn- und Verlustrechnung sollte meiner Meinung nach mit einem Bezug zum TPV analysiert werden (natürlich neben einigen anderen Kennzahlen).

In Cents pro abgewickeltem Dollar an TPV:

Anklicken zum Vergrößern; Quellen: 10-Q Paypal, Annual Reports Ebay
Das wirklich interessante an dieser Sichtweise ist, dass (trotz insgesamt steigender Kosten) die Kosten pro abgewickeltem Dollar sinken. Diese Effizienzgewinne aus der Skalierbarkeit werden in Form einer sinkenden Take Rate an die Kunden (Händler die Paypal-Zahlungen akzeptieren) weitergegeben. Damit verbessert sich die Wettbewerbssituation im Verhältnis zu anderen Zahlungsmöglichkeiten. Der operative Gewinn pro abgewickeltem Dollar bleibt relativ konstant.

Die sinkende Take Rate als Problem zu bezeichnen ist absurd - ich betrachte das im Gegenteil als Teil meiner Investmentthese. Der Paypal CEO Schulman sieht das ganz ähnlich wie ich, wie obig verlinktem Bloomberg Artikel zu entnehmen ist.

Ähnlich wie Amazon zahlt auch Paypal keine Dividenden aus. Cash Flow wird in weiteres Wachstum investiert. Allerdings kann ein guter Teil dieser Cash Flows als Gewinn bezeichnet werden, was die ganz Sache meines Erachtens viel stabiler macht als bei Amazon. Und auch wenn man darüber diskutieren kann, ob der Preis nicht auch hier etwas hoch ist, beruhigt mich immerhin der Gedanke, dass ich vor dem Spin-off, über die damals recht günstige Aktie von Ebay investiert habe. 
We’re partial to putting out large amounts of money where we won’t have to make another decision. If you buy something because it’s undervalued, then you have to think about selling it when it approaches your calculation of it’s intrinsic value. That’s hard. But, if you can buy a few great companies, then you can sit on your ass. That’s a good thing.

Charlie Munger

10. November 2015

Das Amazon Puzzle – Teil 3: Es bleibt unlösbar

Dies ist der dritte und letzte Teil einer kleinen Amazon-Serie. Ein Unternehmen, das mich zwar fasziniert, von dessen Aktien ich bisher aber immer die Finger gelassen haben. Und wohl auch weiter lassen werde.

Im ersten Teil dieser kleinen Amazon-Serie haben wir uns angesehen, was überhaupt für ein Investment in Amazon sprechen könnte. Im zweiten Teil haben wir gesehen, dass sich Amazon trotz nicht vorhandener Gewinne aus operativen Cash Flows finanzieren kann. Ein Kommentator hat mich dankenswerter Weise auf die Leasing-Verhältnisse des Konzerns aufmerksam gemacht, die beim ersten überfliegen ausgeklammert habe. Es ist durchaus argumentierbar, dass das was ich im letzten Teil als Free Cash Flow bezeichnet habe, gegen Null geht, wenn man diese miteinbezieht.

Operative Cash Flows

Am Ende des zweiten Posts habe ich die rhetorische Frage gestellt, ob man irgendeinen Teil dieser Free Cash Flows im Sinne von Buffetts Owner Earnings als Gewinn bezeichnen kann (Geld das man heute oder in der Zukunft aus dem Unternehmen herausnehmen kann). Die Antwort darauf ist in meinen Augen ein klares Nein. Ich konzentriere mich hier nicht auf den Free Cash Flow, sondern nur auf den Cash Flow aus operativer Tätigkeit, also vor Capex und Leasing. Die absoluten Zahlen habe ich im letzten Teil ja schon benutzt, nun sehen wir uns an, wie sich diese zusammensetzen. Wie praktisch alle börsennotierten Unternehmen präsentiert Amazon die Cash Flow Rechnung nach der indirekten Methode: der operative Cash Flow wird durch das Addieren/Subtrahieren der ‚non-cash‘ Elemente in der GuV sowie der Working Capital Veränderungen zum/vom Nettogewinn hergeleitet. Das sieht vereinfacht so aus:

Anklicken zum Vergrößern: die Zusammensetzung des operativen CFs von Amazon absolut und in Prozent. Quelle: Annual Reports
2002-2004 beinhalten einige Sondereffekte, auf die ich hier nicht eingehen möchte. Ab 2010 stellen wir eine eindeutige Veränderung der Zusammensetzung fest. Die drei Cash-Quellen von Amazon heute:

Working Capital

Das Working Capital bei Amazon ist negativ. Das bedeutet nichts Anderes als, vereinfacht ausgedrückt
  • Vorräte und Forderungen sind in Summe kleiner als Liefer- und ähnliche Verbindlichkeiten,
  • Amazon generiert bei steigendem Umsatz Cash-positive Working Capital Veränderungen (z.B. indem Lieferanten erst bezahlt werden, nachdem die Ware wirklich verkauft und bezahlt wurde, was mit einem relativ schnellen Warenumschlag möglich ist).

Das ist weder bei Groß- noch bei Einzelhändlern unüblich und ist für die Finanzierung äußerst hilfreich, stellt aber definitiv keinen Gewinn dar. Am einfachsten ist das so vorstellbar: würde Amazon die Geschäfte morgen einstellen, müssten Vorräte und Forderungen liquidiert und Lieferanten bezahlt werden. Die Nettoliquiditätssumme wäre eben negativ – dieses Geld kann man definitiv nicht herausnehmen.

Festzuhalten bleibt: steigende Umsätze generieren Cash-positive Working Capital Veränderungen.

Abschreibungen

Definitiv kein Gewinn. Zumindest auf lange Sicht müssen diese Abschreibungen durch (Erhaltungs-) Capex wieder ersetzt werden. Man kann auch dieses Geld niemals herausnehmen. Amazon/Bezos selbst besteht ja darauf, dass es um den ‚Long-Term-View‘ geht. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die Abschreibungen beschleunigt durchgeführt werden (laut Annual Report ist das der Fall – um Steuern zu sparen), und die momentanen Abschreibungen etwas überhöht sind: was immer an echtem Free Cash Flow/Owner Earnings übrigbleibt, wird wahrscheinlich durch oben erwähnte Leasing-Verhältnisse aufgefressen.

Festzuhalten bleibt: je mehr Amazon in neue Infrastruktur investiert, desto mehr (gewinnloser) Umsatz wird generiert, desto mehr steigen auch die Abschreibungen. Da es sich um lange nutzbare Assets handelt, die keinen sofortigen Erhaltungs-Capex erfordern, können diese verzögerten Ersatzinvestitionen schon heute in Wachstums-Capex umgeschichtet werden. Wir erinnern uns an die Serviette aus dem ersten Post. Zunehmend handelt es sich um Geschäftsfelder, die weniger Gewinn abwerfen, als das ursprüngliche Buchgeschäft.

Aktien-basierte Vergütungen

Das ist der Gipfel der Ironie. Ein Grund warum ich ‚non-GAAP-Earnings‘ in US-amerikanischen Annual Reports nicht beachte ist der, dass aktien-basierte Vergütungen nicht als reale Kosten dargestellt werden - sprich genau jene Kosten, mit denen die Frauen und Herren Manager sich selbst oft nicht unüppig entlohnen (auch wenn manche anderen Anpassungen – meiner Meinung nach - durchaus Sinn machen).

Wie auch bei vielen anderen Unternehmen entsteht ein großer Teil von Amazons Cash Flows daraus, dass Ausgaben durch das Ausgeben von Aktien/Optionen bezahlt werden. Das ist zwar non-Cash, aber halt dennoch real - die bestehenden Aktionäre werden verwässert, was die ganze Ironie auf die Spitze treibt: aufgrund des hohen Kursniveaus der Amazon-Aktie, ist das eine sehr vorteilhafte Art, diese Kosten zu bestreiten. Und es ist der einzige Teil des operativen Cash Flows, den man als Gewinn bezeichnen kann. Dieser ergibt sich jedoch nicht aus operativer Tätigkeit, sondern nur aus der Tatsache, dass der Kurs eben so hoch ist.

Operating expenses without stock-based compensation has limitations since it does not include all expenses primarily related to our workforce. More specifically, if we did not pay out a portion of our compensation in the form of stock-based compensation, our cash salary expense included in the “Fulfillment,” “Marketing,” “Technology and content,” and “General and administrative” line items would be higher.

Quelle: Annual Report

Zynisch könnte man jetzt anmerken, dass Amazon wenigstens in einem Bereich verstanden hat, wie man Gewinn macht. Aufgrund der Tatsache, dass dieser Gewinn aber eben nicht aus operativer Tätigkeit entsteht, inkludiere ich ihn nicht in den Owner Earnings (das ist vielleicht Geschmacksache, aber ich handhabe das eben so).

Festzuhalten bleibt: aufgrund der Tatsache, dass sich der Amazon-Kurs offensichtlich nur noch am Umsatzwachstum orientiert und der Gewinn egal ist, können wir davon ausgehen, dass auch die dritte große Cash-Quelle von Amazon Umsatz-getrieben ist.

Eine andere Sicht

Wie ich im zweiten Post den ‚Theoretischen Gewinn‘ geschätzt habe, mag den einen oder andern Leser verwundert haben. Viel besser wäre es doch gewesen abzuschätzen, wie hoch die Margen sein könnten, wenn auf das starke Umsatzwachstum verzichtet werden würde? Das mag sein. Ich glaube aber nicht, dass es realistisch ist anzunehmen, dass diese Margen jemals höher sein werden als das, was ich da fabriziert habe. Retailing ist kein hochmargiges Geschäft. Ein Retailer profitiert im Prinzip von der Differenz der Groß- und Einzelhandelspreise. Mit dieser Differenz muss er die Fixkosten abdecken können, in diesem Fall mehr oder weniger jene Kosten die durch die Logistikaktivitäten anfallen (und auch Drohnen gibt es nicht gratis).


(Ja ich weiß: AWS funktioniert anders. Aber angesichts der Tatsache, dass der Umsatzanteil von AWS unter 10% beträgt, die angeblichen ‚Operating Profits‘ von AWS vor aktien-basierten Vergütungen ausgewiesen werden und der Großteil der aktien-basierten Vergütungen auf Technology/Content und damit wahrscheinlich zu einem guten Teil auf AWS entfallen, halte ich AWS für vorerst nicht wirklich wichtig, wenn ich mir den Gesamtkonzern ansehe. Es ist halt ein weiteres Umsatzwachstumsmonster.)

Anklicken zum Vergrößern: Amazon vergibt im Schnitt 4.7% Rabatt über niedrige Versandkosten. Quelle: Annual Report 2014
Amazon muss also vor allem im Bereich der Paketversendung/-Logistik um einiges effizienter agieren als die Konkurrenz, um die den Umsatz subventionierenden Rabatte weiterhin vergeben und dabei einen Gewinn machen zu können. Das mit dem Gewinn ist bisher nicht gelungen. Außerdem ist auch die Konkurrenz nicht auf der Nudelsuppe daher geschwommen, baut ebenfalls Kapazitäten auf und kann allgemein als recht effizient angesehen werden.

Alle Investmentthesen die auf einer angeblichen ‚pricing power‘ von Amazon aufbauen, die gehoben werden kann, wenn Amazon das so will, sind mir persönlich viel zu schwammig. Vor allem weil Amazon das gar nicht vorhat – oben dargestellte Rabatte sind die Grundidee des Geschäftsmodells. Sollte sich Amazon irgendwann dazu entscheiden, doch einmal auf die Margen zu achten, könnten sie gar in Liquiditätsengpässe geraten, weil eben alle drei Cash-Quellen direkt oder zumindest indirekt Umsatzwachstum-abhängig sind. Die Frage wird sein, ob die Gewinne dann schnell genug wachsen werden, um den Rückgang in diesen drei Cash-Quellen zu kompensieren.

Conclusio

Amazon bleibt mir weiter ein Puzzle. Eigentlich wollte ich in dieser kleinen Serie nur versuchen zu begreifen was aktuelle Investoren in dem Unternehmen sehen, bzw. was ich übersehe. Auf den ersten Blick liest sich die Story zwar recht gut, nach dem zweiten Blick komme ich aber fast auf die Idee, ein paar Puts zu kaufen. Seit dem ersten Post vor ca. 3 Wochen umso mehr: die Marktkapitalisierung ist innerhalb dieser kurzen Zeit auf über USD 300 Mrd. angewachsen. Womit wir wieder am Anfang dieser Serie stehen: das war bisher immer eine blöde Idee. Da ich die These von den hohen Gewinnen irgendwann in Zukunft dennoch nicht kaufe, bleibt absolut nichts übrig, mit dem ich ein Investment rechtfertigen könnte.

Ich schaue mir die Entwicklung von Amazon weiterhin fasziniert an, bleibe aber an der Seitenlinie. Vielleicht verpasse ich aufgrund meiner Konservativität wirklich ein langfristig lukratives Investment, aber wenigstens kann ich derweil meinen Kindle genießen.

4. November 2015

Das Amazon Puzzle – Teil 2: Finanzen

Dies ist der zweite Teil einer kleinen Amazon-Serie. Ein Unternehmen, das mich zwar fasziniert, aber von dessen Aktien ich bisher immer die Finger gelassen haben. Und wohl auch weiter lassen werde.

Im ersten Teil dieser kleinen Amazon-Serie haben wir uns angesehen, was überhaupt für ein Investment in Amazon sprechen könnte. Grundsätzlich halte ich das Geschäftsmodell von Amazon für vielversprechend. Im Laufe dieses Posts werde ich einen (meiner Meinung nach unrealistischen) ‚Theoretischen Gewinn‘ betrachten. Dabei geht es weniger darum, dass dieser korrekt berechnet ist, sondern mehr darum herauszufinden, was aktuelle Amazon-Investoren meines Erachtens in etwa annehmen müssen, um ein Investment rechtfertigen zu können. 

(Nebenbei bemerkt: dieser theoretische Gewinn würde, falls realistisch, tatsächlich zu einem sehr hohen ROIC führen, da das Amazon-Geschäftsmodell nicht sehr kapitalintensiv ist.)

Skeptisch wie ich bin, möchte ich nicht in ein Unternehmen investieren, das wächst ohne dabei Gewinne zu produzieren. Folgendes Zitat lässt mich bei Amazon allerdings hellhörig werden: 
When forced to choose between optimizing the appearance of our GAAP accounting and maximizing the present value of future cash flows, we’ll take the cash flows.
 Jeff Bezos, Letter to Shareholders 1997

Gewinne müssen nicht unbedingt buchhalterische Gewinne sein - mir persönlich sind ökonomische welche sowieso lieber. Ein kleiner Reminder dazu: Owner Earnings.

Aber von Anfang an, die


Gewinn- & Verlustrechnung

Quelle: Annual Reports, Anklicken zum Vergrößern
Beim ‚Hinuntergehen‘ vom Bruttogewinn zum operativen Gewinn (von der gelben zur blauen Linie) fallen Fixkosten an, Amazon unterteilt diese in vier Kategorien: Fulfillment, Marketing, Technology/Content und Administrative/General. Bei einem Unternehmen, das so kompromisslos in Wachstum investiert wie Amazon, verwundert es nicht, dass die operative Marge sehr gering ist. In Erwartung eines höheren Umsatzes in der nächsten Berichtsperiode hat man ständig eine ‚relativ zu hohe‘ Fixkostenbasis in der aktuellen Periode.

Was allerdings auffällt ist die steigende Bruttomarge seit 2011, bei gleichzeitigem Zurückgehen der operativen Marge. Angesichts der sich verändernden Zusammensetzung des Umsatzes kann man davon ausgehen, dass der Bereich ‚Electronics & other merchandise‘ höhere Bruttomargen abwirft, ebenso wie der stark wachsende AWS (Amazon Web Services) Bereich. Allerdings scheint Amazon hier nicht diese Wettbewerbsvorteile zu genießen wie im Media Bereich (mit den Büchern). Zumindest wäre das eine Erklärung für die sinkende operative Marge.

Nachdem Amazon in diesem Geschäftsjahr erstmals die gesonderten Ergebnisse für AWS ausweist (mit einer operativen Marge von ca. 17%, allerdings vor aktienbasierten Vergütungen), können wir davon ausgehen, dass sich die Situation im (wesentlich größeren) Restgeschäft noch etwas schlechter darstellt als obige Grafik vermuten lässt.

Jedem Aktionär von Amazon ist das klar (oder sollte es zumindest sein): Gewinne interessieren nicht. Doch wie finanziert Amazon dieses Wachstum mit einer eigentlich recht moderaten Finanzverschuldung, wenn keine (buchhalterischen) Gewinne anfallen?

Cash Flow

Die Zahlen in diesem Teil stammen aus den Geschäftsberichten. Die getroffenen Annahmen sind allerdings nicht unbedingt realistisch. Wie schon erwähnt, geht es mehr darum, den aktuellen Amazon-Kurs irgendwie zu rechtfertigen - dahinterzukommen, wie aktuelle Amazon-Investoren denken müssen, um den Kurs rechtfertigen zu können – dafür sind meines Erachtens sehr optimistische Annahmen notwendig.

Quelle: Annual Reports, Anklicken zum Vergrößern
Wie wir sehen, kann Amazon die nötigen Investitionen locker aus dem operativen Cash Flow finanzieren. In den meisten Jahren bleibt sogar etwas übrig, das man auf die Seite legen kann – Amazon verfügte Ende 2014 über finanzielle Mittel von ca. USD 17 Mrd., bei Finanzschulden in Höhe von ca. USD 12,5 Mrd.

Wenn wir uns im Sinne oben bereits erwähnter Owner Earnings vor Augen halten, dass sicher nicht der gesamte Capex notwendig ist, um das aktuelle Geschäft zu erhalten, sondern ein ganz wesentlicher Teil davon Wachstumsinvestitionen repräsentieren, können wir sogar einen halbwegs brauchbaren Cash-Gewinn errechnen. Nehmen wir an, drei Viertel des Capex repräsentieren Wachstumsinvestitionen (nochmals: das ist eine stark vereinfachende Rechnung, die nicht unbedingt realistisch ist; ich kann beim besten Willen nicht sagen, ob diese drei Viertel realistisch sind, aber diese lassen den theoretischen Gewinn sehr hoch aussehen). Der theoretische Gewinn (TG) wäre dann:

Anklicken zum Vergrößern
Das sieht zumindest viel besser aus, als die GuV-Marge. Noch optimistischere Annahmen möchte ich nicht mehr treffen, weil es irgendwann halt doch sehr unrealistisch wird, selbst für Amazon-Optimisten. Nehmen wir an, wir können diese USD 5.619 Mio. tatsächlich als Gewinn betrachten: das KGV wäre dann noch etwas über 45. Sehr teuer, aber wie ein Kommentator im ersten Teil zur Serie schon anmerkte, nicht mehr so total aus der Welt, wie die KGVs, die mit dem klassischen buchhalterischen Gewinn berechnet werden. Je nachdem, was für Wachstumsraten man für die Zukunft annimmt, könnte man theoretisch sogar in einen rationalen Bereich kommen (je nachdem was man halt als rational betrachtet).

Meines Erachtens müssen heutige Amazon-Investoren solche oder zumindest so ähnliche Annahmen treffen, um ihr Investment zu rechtfertigen. Der TG lässt sich noch etwas erhöhen: man könnte z.B. annehmen, Amazon braucht überhaupt keinen Erhaltungs-Capex, aber wie geschrieben: irgendwann wird es halt sehr unrealistisch.

Ist es das was mir entgeht? Ist die Amazon-Aktie gar nicht so teuer? Nur ein ‚bisschen‘ teuer?

Im nächsten, und wahrscheinlich letzten Teil dieser kleinen Serie sehen wir uns die operativen Cash Flows nochmals genauer an. Warum sind diese im Vergleich zu den Gewinnen so hoch, und können wir die entsprechenden Anpassungen überhaupt als Gewinn betrachten? 

Ich habe mir das bereits angesehen und war, um ehrlich zu sein, etwas verblüfft. 

Weiter zu Teil 3